

Seit dem 1.2.2020 gehen das Kieler Unternehmen Coastal Research & Management (CRM), das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und die Hochschule Bremen gemeinsam in dem Forschungsprojekt „REA“ der Frage nach, welches Anwendungspotenzial in Algenenzymen steckt.
Dieses vom BMBF mit 1,1 Mio. Euro geförderte Projekt zielt insbesondere darauf ab, das enorme Potenzial bisher unerforschter kleiner Redoxenzyme aus marinen Algen (REAs) zu erschließen.

Algen spielen für die Erde eine ganz besondere Rolle: In der Erdgeschichte waren sie es, wenn auch noch als mikrobielle Frühform, die den Sauerstoff in die Atmosphäre brachten und das Leben, wie wir es heute kennen, erst ermöglicht haben. Heute liefern Algen den Sauerstoff für jeden zweiten unserer Atemzüge. Außerdem enthalten sie eine Vielzahl nutzbarer Substanzen.
Die Gruppe der Makroalgen, die nach ihrem Farbspektrum in Grün-, Rot- und Braunalgen aufgeteilt werden, sind wahre Molekül-Manufakturen. Ein Beispiel sind die besonders kunstvoll konstruierten Zuckermoleküle, die in Makroalgen vielfältig auf-, ab- und umgebaut werden. Die bekanntesten dieser Moleküle sind Agar-Agar, Carrageen und Alginat – langkettige Zuckerverbindungen, die hauptsächlich in der Lebensmittelindustrie als natürliche Texturgeber, Verdicker oder Stabilisatoren eingesetzt werden.
Aber auch in Farb-, Medizin- oder Laborprodukten werden diese speziellen Algenmoleküle eingesetzt. Etwas exotischere, aber ebenfalls bereits in der Industrie verwendete Zuckerverbindungen, sind Laminarin, Fucoidan, Furcellaran und Ulvan. Wer, wenn nicht die Algen selbst, besitzt die Werkzeuge, diese Moleküle herzustellen und zu modifizieren? In der biochemischen Welt heißen diese Werkzeuge „Enzyme“.
Als biologische Katalysatoren ermöglichen Enzyme eine Vielzahl von industriellen Prozessen und entscheiden maßgeblich über die Qualität vieler Produkte. Algen bieten deshalb großes Potential für die Entwicklung neuer Enzyme, die in der Herstellung von Lebens- und Futtermitteln, Biokraftstoffen, Aromen, Chemikalien und sogar Pharmazeutika zum Einsatz kommen könnten.
Insbesondere Redoxenzyme aus Algen (REAs) können als attraktive Produkte in der Bioindustrie dienen, da viele Produktverfeinerungen der Biotech-Industrie auf Redoxreaktionen beruhen. Die dafür bisher eingesetzten Enzyme sind sehr große und komplexe Moleküle und daher nur schwer herzustellen. Redoxenzyme aus Algen hingegen, so zeigte ein Vorgängerprojekt, sind meist wesentlich kleiner und eignen sich daher besser für eine biotechnologische Herstellung.
Beim Forschungsprojekt „REA“ stehen zwei Ziele im Vordergrund: Zunächst soll ein überlegenes und wettbewerbsfähiges Redoxenzym als Markerenzym für labordiagnostische Anwendungen aus Algen isoliert und biotechnologisch hergestellt werden.
In einem zweiten Schritt erfolgt dann die Ausweitung des Projektes auf weitere industrierelevante Enzyme, die dem Markt durch die Einrichtung eines branchenorientierten Dienstes auf Grundlage einer algenbezogenen Enzym- und Proteindatenbank zur Verfügung gestellt werden können. Dieser digitale Algenenzymkatalog wird detaillierte Informationen über die Algenenzyme verfügbar machen und mögliche industrielle Anwendungen aufzeigen.
Interessierte aus Bioindustrie und Forschung haben so die Möglichkeit, völlig neue Enzyme zu „entdecken“. Unsere Forschungs- und Projektpartner arbeiten deshalb insbesondere daran, die Bedürfnisse der Industrie mit dem Potenzial von Algenenzymen, die eine herausragende Position in der Bioökonomie einnehmen könnten, in Einklang zu bringen.
Dies ist auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, denn der Enzymmarkt „boomt“: Im Jahr 2017 beispielsweise stieg der weltweite Umsatz in diesem Sektor um 6,7 % auf 5,8 Milliarden Euro und auch die Nachfrage nach Enzymen für die Diagnostik steigt stetig. In diesem positiven Umfeld könnten die REAs zu einer Bereicherung der biotechnologischen Werkbank beitragen. Außerdem könnte die Kosteneffizienz von Forschung und Entwicklung in der Bioökonomie durch die Einrichtung einer marktorientierten „Algenenzym-Datenbank“ nachhaltig verbessert werden.
Das Projekt „REA“ ist ein Paradebeispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit. Experten aus den Bereichen der Meeresökologie, Algenphysiologie, Proteincharakterisierung, Bioinformatik, Biotechnologie, Antikörperentwicklung sowie Geschäftsentwicklung und Vermarktung lassen hier ihre Fachkenntnisse einfließen und tragen so zur nachhaltigen Erschließung mariner Ressourcen bei.
Kontakt:
Dr. Levent Piker oder Timo Jensen
CRM – Coastal Research & Management
Tel.: 0431–97 99 47–10
email: levent.piker@crm-online.de / timo.jensen@crm-online.de
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