Int. Promotionsprogramm zu speziellen Autoimmunerkrankungen

EU fördert das Konsortium „IgG4 Treat“ mit über 2,5 Millionen Euro für vier Jahre

Das von der Europäischen Union im Rahmen der Marie Sklodowska-Curie Actions geförderte Promotionsnetzwerk „IgG4-TREAT - Systematic study of IgG4-autoimmune diseases to develop new treatment strategies“ startet jetzt die Rekrutierungsphase. An dem europäischen Konsortium sind 13 akademische Forschungseinrichtungen, darunter auch die Medizinische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), sowie 3 Firmen aus 7 Ländern beteiligt. Ab sofort können sich interessierte Nachwuchsforscherinnen und -forscher aus den Lebenswissenschaften für eins von insgesamt zehn Promotionsprojekten in Deutschland (Kiel, Berlin), Österreich (Wien), Frankreich (Paris), den Niederlanden (Leiden, Maastricht, Amsterdam), Griechenland (Athen), Italien (Pisa) oder der Türkei (Istanbul) bewerben. Dem Forschungsverbund stehen bis zum Abschluss der Studien im Jahr 2027 insgesamt 2,63 Millionen Euro zur Verfügung.

Nervenzellen mit gebundenen Autoantikörpern unter dem Mikroskop. Jeder grüne Punkt entspricht einer Synapse, also der Stelle, über die eine Nervenzelle mit anderen Zellen Signale austauscht. An jeder dieser Synapse lagern sich tausende, mikroskopisch klei
Nervenzellen mit gebundenen Autoantikörpern unter dem Mikroskop. Jeder grüne Punkt entspricht einer Synapse, also der Stelle, über die eine Nervenzelle mit anderen Zellen Signale austauscht. An jeder dieser Synapse lagern sich tausende, mikroskopisch kleine, grün-fluoreszierend markierte Autoantikörper an und stören deren Funktion. Die Zellkerne der Nervenzellen sind in blau dargestellt. (Bild: F. Leypoldt, UKSH)

Das übergreifende Forschungsthema sind Autoimmunerkrankungen mit organspezifischen Autoantikörpern einer bestimmten Unterform, dem Isotyp IgG4. Hierzu zählen zum Beispiel Entzündungen des peripheren Nervensystems (Immunneuropathien), Unterformen der Nerv-Muskelerkrankung Myasthenia gravis und Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems (autoimmune Enzephalitiden) sowie bestimmte blasenbildende Hauterkrankungen und glomeruläre Nierenerkrankungen. „Unser Konsortium geht davon aus, dass bei all diesen Erkrankungen gemeinsame Pathomechanismen vorliegen, deren Erforschung auch gemeinsame Therapieoptionen eröffnet“, erklärt der Kieler Projektleiter PD Dr. Frank Leypoldt, einer der Leiter der Arbeitsgruppe Neuroimmunologie am Institut für Klinische Chemie des UKSH und Mitglied im Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI). „Die Krankheiten, um die es hierbei geht, sind für sich genommen zwar selten, aber zusammen sind sie eine relevante Gruppe.“

Gemeinsamer Nenner: Autoantikörper vom Typ IgG4

Die organübergreifende, gemeinsame Betrachtung dieser verschiedenen IgG4-Autoimmunerkrankungen ist das zentrale Thema des Forschungskonsortiums. Die Krankheiten sind klinisch schwerwiegend, teils schwer zu diagnostizieren und schwierig zu behandeln. Sie betreffen unterschiedliche Organe und wurden daher bisher nicht übergreifend betrachtet. „Der gemeinsame Nenner all dieser Krankheiten sind jedoch die Antikörper vom Typ IgG4“, so Leypoldt. Diese Antikörper galten bisher eigentlich als entzündungshemmend, da sie andere Komponenten des Immunsystems deutlich weniger aktivieren als andere Isotypen. Das Problem ist, dass sie dennoch mit hoher Bindungsstärke an ihr jeweiliges Antigen, ein körpereigenes Protein, binden und dessen Funktion blockieren. „Dieses Phänomen beobachten wir an völlig verschiedenen Organsystemen, an der Haut, der Niere, im Gehirn und in den peripheren Nerven. Das wollen wir verstehen und therapeutisch ausnutzen. Vielleicht lassen sich auch Lösung finden, die übergreifend eingesetzt werden können“, erklärt der Experte für autoimmune Gehirnerkrankungen.

Innovative Ausbildung an verschiedenen Standorten

Im Vordergrund des Programms steht die Ausbildung und Vernetzung von jungen Forschenden auf dem Gebiet der IgG4-Antikörper-vermittelten Krankheiten. Für das Ausbildungsnetzwerk wurden Labore und Institute mit komplementären Expertisen und Ressourcen zusammengebracht, um ein ausgewogenes Portfolio an Fachwissen aus verschiedenen Europäischen Ländern zu gewährleisten. Integraler Bestandteil der Marie-Sklodowska-Curie-Doktorandennetzwerke ist, dass die internationalen Doktorandinnen und Doktoranden mit ihrem Projekt nicht nur an ihrem Standort forschen, sondern auch in andere Labore für drei bis sechs Monate strukturiert rotieren. „In den Partnerlaboren, die andere Aspekte der Ausgangsfragestellung bearbeiten, können sie neue Techniken trainieren und ihren Horizont erweitern“, betont Leypoldt. Zusammen mit dem Neuroimmunologen Professor Klaus-Peter Wandinger, der Bioinformatikerin Dr. Daniela Esser und dem Experten für Neurogenetik und molekulare Neurobiologie Professor Gregor Kuhlenbäumer leitet er das Kieler Forschungsprojekt, bei dem unter anderem Immunzellen im Nervenwasser von Patientinnen und Patienten mit autoimmuner Enzephalitis untersucht werden. Hierbei werden neueste molekularbiologische Untersuchungsmethoden verwendet, wie die Einzelzellsequenzierung, um herauszufinden, warum die Immunzellen dauerhaft IgG4-Autoantikörper produzieren. Durch Analyse vorhandener Gendaten soll außerdem geprüft werden, ob es Auffälligkeiten auf genetischer Ebene gibt, die auch bei anderen IgG4-Autoimmunerkrankungen gefunden werden.

Über IgG4 Treat

Das Programm „IgG4-TREAT - Systematic study of IgG4-autoimmune diseases to develop new treatment strategies“ ermöglicht eine strukturierte Ausbildung von zehn Doktorandinnen und Doktoranden innerhalb eines europäischen Netzwerks. Beteiligt an dem Forschungsvorhaben sind Einrichtungen aus dem akademischen und dem nicht-akademischen Sektor aus Österreich (Medizinische Universität Wien), Deutschland (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Charité – Universitätsmedizin Berlin), Frankreich (Institut national de la santé et de la recherche médicale, Paris, Sorbonne Université, Paris), den Niederlanden (Leiden University Medical Center, Maastricht University, University of Amsterdam, Stichting Sanquin Bloedvoorziening, Amsterdam), Griechenland (National and Kapodistrian University of Athens, Hellenic Pasteur Institute, Tzartos NeuroDiagnostics, Athen), Italien (Azienda Ospedaliero Universitaria Pisana, Pisa, Fondazione Istituto Neurologico Nazionale Casimiro Mondino, Pavia) oder der Türkei (Istanbul University). Dr. Inga Koneczny von der Medizinischen Universität Wien koordiniert das Marie-Sklodowska-Curie-Programm für Promovierende.

Über Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen

Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen sind Teil des europäischen Förderprogramms "Horizont 2020". Sie sollen die länder- und sektorübergreifende Mobilität fördern und die Attraktivität von wissenschaftlichen Laufbahnen steigern. Gefördert werden strukturierte Ausbildungsnetzwerke für Doktorandinnen und Doktoranden, Forschungsaufenthalte für erfahrene Forschende sowie Personalaustauschprogramme und Mobilitätsprogramme. Benannt wurde das Programm nach der zweifachen Nobelpreisträgerin Marie Curie.

Weiterführende Informationen:

https://www.nks-msc.de/de/MSC-Massnahmen-2240.html

https://marie-sklodowska-curie-actions.ec.europa.eu

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